Eine Freundschaft, die über die Entfernung Deutschland – Kanada Jahrzehnte bestanden hat, ist außergewöhnlich. Um diese lebenslange Freundschaft geht es in dem Buch „Die Briefe meines Vaters“. Die einseitige Korrespondenz von Deutschland nach Kanada umfasst den Zeitraum von Juli 1949 bis Dezember 1986. Nur der letzte und einzige vorhandene Brief aus Kanada an Josef Schlicker rundet diese Geschichte ab und gibt dem Gesamtwerk eine ganz besondere Note.
Es ist ein facettenreiches Buch: Die Welt aus Sicht eines der ersten Parlamentsstenografen nach dem 2. Weltkrieg. Es ist ein spannendes Zeitdokument über die Entwicklung der neu gegründeten Bundesrepublik, den Wiederaufbau der im 2. Weltkrieg fast völlig zerstörten Stadt Köln, die Einstellung von Josef Schlicker zum Weltgeschehen und deren Politik(er). Auch geht aus dem Buch hervor, wie aufreibend die Tätigkeit eines Parlamentsstenografen ist.
Zur Entspannung von der anstrengenden Arbeit widmete er sich seiner Sammlung von Antiquitäten jeglicher Art, insbesondere ägyptischer Kleinkunst, und er liebte klassische Literatur. Daraus schöpfte er neue Kraft. So beschreibt Josef Schlicker die Suche nach den Spuren seines Lieblingsdichters Rainer Maria Rilke in der Schweiz sehr eindrucksvoll und sensibel.
Der Erwerb von Antiquitäten, Büchern und Kunstwerken aller Art ist ebenfalls in den Briefen anschaulich beschrieben und durchzieht das Buch wie ein roter Faden. Einige Fotos seiner Sammlung und antiker Möbel lockern das Buch auf.
Darüber hinaus ist die Aktualität dieses Buches frappierend. Es gab damals schon kalte verregnete Sommer und zu warme Winter; es gab zu viele Autos auf den Straßen (Mitte der 60iger Jahre hatten wir aber auch 4 Autos vor der Türe stehen); er schimpft über die Flüchtlingspolitik der damaligen Regierung (es handelte sich um die Boatpeople aus Vietnam); damals gab es nach Ansicht von Josef Schlicker auch schon unfähige US-Präsidenten; ebenso prangert er die Verrohung der Menschheit durch gewaltverherrlichende ausländische – vor allem amerikanische - Filme an. Was die deutsche Sprache angeht, beklagt er sich über die Beeinflussung durch Anglizismen, die Verstümmelung durch Abkürzungen und dass die deutsche Sprache immer wortärmer würde.
Alles, was Josef Schlicker im Laufe von 37 Jahren an seinen Freund nach Kanada geschrieben hat, ist aktueller denn je. Die Geschichte wiederholt sich.
Nehmen Sie Teil an dieser außergewöhnlichen Familienchronik und überzeugen Sie sich von den erstaunlichen Parallelen zur heutigen Zeit. Lassen Sie sich diese spannende Zeitreise nicht entgehen.